Lerntheoretische Fundierung

TheorieDie praktische Weiterbildung ist durch die Verortung des Lernens in der beruflichen Realität charakterisiert. Die Tätigkeiten finden immer im Kontakt mit erfahrenen Berufsangehörigen statt. Individuelle Erfahrungen, Wahrnehmungen und Deutungen des Lernenden gehen dabei immer mit gedanklichen kognitiven Prozessen einher. Diese Lernprozesse bringen Fachwissen in der beruflichen Tätigkeit zur Anwendung, die auf den Vorerfahrungen (subjektiven  Theorien) der Lernenden aufbauen. Dieses arbeitsintegrierte Lernen ist vor allem gekennzeichnet durch Authentizität, Situiertheit und die multiplen Kontexte der Berufsangehörigen (Sonntag et al., 2000). Dabei kommen im sozialkognitiven Ansatz  des Lernens am Modell (Bandura, 1977),  die Reduktion von Hilfestellungen (Scaffolding) und die Lernberatung zur Anwendung. Bei der Einordnung in lerntheoretische Konstrukte bezüglich des Erklärungsgehaltes für das Lernen in Arbeitsprozessen stellen sich verschiedene Formen dar. Dabei stellt die übergeordnete Zielsetzung von Bildungsprozessen  die Handlungskompetenz dar,  die sich in der Performanz des beruflichen Handelns  im beobachtbaren Verhalten ausdrückt.

In einem Beitrag von Gabi Reinmann (2011, S. 2) beschreibt sie die Lerntheorie folgendermaßen:

Lerntheorien konzentrieren sich darauf, möglichst global zu beschreiben und zu erklären, wie Lernen generell „funktioniert“. Sie bewegen sich (zumindest in ihrer Enstehung) im gerade dominierenden Zeitgeist und beeinflussen Lehr-/Lernauffassungen (Hervorheb. d. Verf.).

Das ist ein wichtiger, oft übersehener Punkt, denn: Wenn Lerntheorien implizit wirken, dann sind sie nicht Ausgangspunkt einer bestimmten Gestaltungs-strategie, sondern eher ein unkontrollierter Einflussfaktor, der reflektierte Gestaltungsentscheidungen mögicherweise behindert. Kenntnis über Lerntheorien kann also in einem ersten Schritt dabei helfen, mögliche implizite Wirkungen zu erkennen und offen zu legen. Ob sie einen in einem zweiten Schritt auch darin unterstützen, zu einer Gestaltungsstrategie zu kommen, gilt es zu klären.

Behaviorismus: Reiz-Reaktionsmodell

Lernen zielt auf beobachtbare Verhaltensänderung ab und ist gleichzeitig Ausdruck des Lernprozesses selbst, indem der Lernende sich die Umwelt zu eigen macht. In dieser Art von Rezeption von Wirklichkeit liegt der Kern des Ausmaßes möglicher Lernerfolge. Wird das äußere Erleben bewertet erfolgt eine selektive Auswertung, in der inidividuelle Kriterien angewendet werden, z. B. Erfolg/Mißerfolg oder die Attraktivität bestimmter Handlungen auf ein bestimmtes Ziel. Die Lernenden sind in behavioristisch gestalteten Lernumgebungen durchaus sichtbar aktiv. Allerdings sind diese Aktivitäten für den Lehrenden nur im Hinblick auf den „Output“ (Lernergebnisse) von Interesse. An den mentalen, im Gehirn ablaufenden Prozessen zwischen Reiz und Reaktion ist der Behaviorismus dagegen nicht interessiert (Black-Box Denken). Das Gehirn wird als ein Organ angesehen, das auf Reize mit angeborenen oder erlernten Verhaltensweisen reagiert. Das Kommunikations-verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden ist unidirektional (Baumgartner et al., 2004).

Kognitivismus: Informationsverarbeitungsperspektive

Diese Lerntheorie betrachtet eben diese Seite der reflexiven Bewertung und des Lernens durch Verstehen, in denen auch Prozesse der individuellen Selektion greifen. Abhängig von der Situation und dem jeweiligen Erfahrungshorizontes des Lernenden werden unterschiedliche Kriterien zu Bewertung und Analyse herangezogen. Anders als im Behaviorismus interessiert sich der Kognitivismus nicht für die direkte Verbindung von Reiz und Reaktion, sondern dafür, mit welchen Methoden Menschen zu Problemlösungen kommen. Der Kognitivismus betrachet Lernen als einen mentalen Prozess, der ähnlich wie die Informationsverarbeitung im Computer abläuft und zu Wissensrepräsentationen im Gehirn führt. Die Lernenden haben eine aktive Rolle, sind aber nicht selbsttätig. Die Lehrenden bereiten Inhalte und Probleme didaktisch auf , um den Informations-verarbeitungsprozess zu erleichtern; sie haben die „Problemhoheit“ und bestimmen weitgehend, was wie gelernt wird. Das Kommunikationsverhältnis ist bidirektional , ohne dass Lehrende und Lernende tatsächlich gleich-berechtigte Rollen haben (Baumgartner et al. , 2004). Die Lernenden steuern den Output nicht über die Gestaltung von Reizen und Konsequenzen, sondern durch tutorielle Unterstützung.

Konstruktivismus: Vorstellung vom Menschen als Welterzeuger

Die konstruktivistische Lerntheorie befasst sich vor allem mit der Frage, wie die Lernprozesse durch individuelle  Konstruktion von Wirklichkeit und Zusammenhänge von Sinnhaftem beeinflusst werden. Welche Kontexte, Einflüsse, in Lernumgebungen haben Einfluss auf die Lernergebnisse?  Es interessiert daher weniger was „wahr“ ist (weil sich das gar nicht feststellen lässt), sondern eher was sich als nützlich bzw. viabel erweist (von Glasers-feld,1996). Für den Konstruktivismus ist der menschliche Organismus ein System, das zwar energetisch offen und mit der Umwelt strukturell gekoppelt ist. Er ist aber gleichzeitig informationell geschlossen, sodass unser Gehirn nur auf die bereits verarbeitete und interpretierte Information von außen reagiert (Autopoiesis). Lernen ist folglich ebenfalls ein aktiver, aber zudem ein autopoietischer Konstruktionsvorgang, der durch Kontexte und Probleme allenfalls angeregt oder gestört werden kann. Vertreter des („neuen“) Konstruktivismus postulieren vor diesem Hintergrund Lernumgebungen, die komplexe Probleme bieten, Authentizität und Situiertheit von Inhalten und Aufgaben sicherstellen, multiple Perspektiven berücksichtigen , eigene Erfahrung und Reflexion anregen und Anlässe zum sozialen Austausch geben. Wissen ist für den Konstruktivismus eine individuelle und soziale Konstruktionleistung des Menschen! Der aktive Part liegt eindeutig beim Lernenden, sodass die Rolle des Lehrenden nur mehr darin bestehen kann, Lernaktivitäten anzustoßen und Lernende bei der Identifikation und Lösung von komplexen Problemen zu unterstützen  –  entweder direkt durch soziale Interaktion oder indirekt durch die Gestaltung von Kontexten. Das Kommunikationsverhältnis ist demnach nicht nur bidirektional, sondern ausgewogen (Baumgartner et al., 2004).

In allen Lerntheorien spielen die Faktoren, Handeln, Reflektieren und Kontextualisieren eine große Rolle!

 

Einen perspektivischen Wechsel gibt auch die lerntheoretische Sichtweise beim Einsatz von digitalen Medien ein einem Artikel von e-teaching.org.

 

Literatur:

Baumgartner, Peter.; Häfele, Hartmut & Maier-Häfele, Kornelia (2004): Content Management Systeme in E-education. Innsbruck: Studienverlag.

Glasersfeld von, Erich (1996): Radikaler Konstruktivismus. Idee, Ergebnisse, Probleme. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Reinmann, Gabi (2011). Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie. In: L3T Lehrbuch für Lehren und Lernen mit Technologien. URL: http://l3t.tugraz.at/index.php/LehrbuchEbner10

Reusser, Kurt (2006): Konstruktivismus – vom epistemologischen Leitbegriff zur Erneuerung der didaktischen Kultur. In: Baer, M.; Füglister, P.; Reusser, K. & Wyss, H. (Hrsg.): Didaktik auf psychologischer Grundlage. Von Hans Aeblis kognitionspsychologsicher Didaktik zur modernen Lehr- Lernforschung. Bern: hep, S. 151-168.

 

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Datum: Donnerstag, 2. Juni 2011 5:57
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